Die Idee
In Anlehnung an den Literarischen Salon vergangener Tage lebt der Stuttgart Salon von freiem Gedankenaustausch und der Diskussion in kleiner Runde. Er ist ein exploratives Format auf der Suche nach Fragen und Themen, die verknüpft neue Ansätze bieten und die Basis für Neues Lernen und Innovation schaffen.
Der stuttgart|salon ist neutral vom Ausgangspunkt, offen in der Betrachtung, neugierig auf neue Konstellationen und Lösungen.
Wer ist Stuttgart? Und was bedeutet das für die Menschen, die hier leben? Zwischen 2008 und 2011 setzte sich der Stuttgart Salon diese Fragen zum Thema, überzeugt, dass wertschätzende Gespräche Menschen motivieren, Ideen und Engagement zu verbinden. Ein Format von curious minds und zeigt, wie Dialog und Lernen ganz praktisch stattfinden kann.
Der Stuttgart Salon ist stuttgarterisch, ambitioniert, aber nicht laut. Er ist offen, geht auf andere zu und stellt relevante Fragen zur Zukunftsfähigkeit der Stadt. Er ist ein Beitrag zu Stuttgart 22, der kreativen Stadt. Katrin Steglich
Die Welt besser zu machen, ist nicht eine einmalige Entscheidung, sondern eine tägliche Übung, auch mit Irrtum und Neuanfang. Sie ist Chance und Raum für neue Existenz, positive Geschäfte, leidenschaftliche Berufe, kollaborative Experimente, die Innovation schaffen und Zukunftsfähigkeit schaffen. Gespräche machen den Anfang. Thomas Staehelin
Salon „PINK Production – Wohin geht Stuttgart, wenn Daimler geht?“ 28.02.2011
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[Das Video hierzu haben wir aufgrund der DSGVO deaktiviert.]Stuttgart ist eine klassische Produktionsstadt – technisch, automobil und selbstverständlich. Daimler, Bosch, Mahle, Porsche sind nur ein paar der vielen Firmen rund um Stuttgart, die als prototypische Produktionsunternehmen gelten können. Produktion, als ein Prozess verstanden, bei dem verschiedene Eingangsmaterialien in ein Ausgangsprodukt transformiert werden, prägte den wirtschaftlichen Aufschwung der Region rund um Stuttgart – und droht jetzt sein Verhängnis zu werden. Wir ahnen es, können es aber noch nicht fassen. Die Konsequenzen sind unvorstellbar (man denke an die Situation der Phonoindustrie vor ein paar Jahren). Längst haben sich die größten Wachstumsmärkte nach Fernost verschoben und komplexe Entwicklungs- und Designprozesse ins Internet. Die Verlagerung der Produktion in Richtung dieser Märkte ist eine zwangsläufige Konsequenz, denn zum einen wachsen dort Kaufkraft und Selbstbewusstsein, zum anderen wird die Forderung nach “Local Content” lauter: Waren, die auf den dortigen Märkten verkauft werden, sollen im Wesentlichen auch dort produziert werden. Das Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft – hochwertige Produktion und Handelsbilanzüberschüsse durch Exporte – scheint in absehbarer Zeit ein Ende zu finden. Es gab eine Zeit, da “Made in Germany” eine Warnung vor schlechter Qualität war, aber das änderte sich bald. Es kommt eine Zeit, da “Made in China” ein positives Qualitätsmerkmal beschreibt.
In Folge dessen muss sich Deutschland im Allgemeinen und die Region Stuttgart im Besonderen damit beschäftigen, wie auf die gewaltigen Veränderungen reagiert werden soll. Allein am Beispiel Daimler lässt sich die Automobilabhängigkeit eindrucksvoll aufzeigen: Aktuell beschäftigt der Daimler-Konzern im Raum Stuttgart circa 80.000 Menschen. Diese 80.000 Arbeitsplätze bedeuten bei der Zulieferindustrie weitere 80.000 – 100.000 Arbeitsplätze – wobei die Arbeitsplätze, die indirekt von Daimler abhängen (wie in der Verwaltung, in der Gastronomie usw.), noch gar nicht mitgerechnet sind. Was passiert, wenn großflächige Produktionsverlagerung erfolgen? Wenn in kurzer Frist 40.000 Arbeitsplätze im Raum Stuttgart wegfallen?
Auf der Suche nach Antworten auf die Fragen, die sich aus solch einem Szenario ableiten, reicht es nicht, in den bewährten Strukturen zu denken. Es reicht nicht, durch Lean Production die Produktivität zu erhöhen, durch integriertes Supply Chain Management die Wertschöpfungsprozesse noch besser zu verzahnen oder eine Bildungsoffensive zu verkünden. Es braucht dazu andere Formate, unübliche Sichtweisen, ungereimte Argumentationen und Neugier. Neue Lösungen finden sich nicht im Bekannten. Der stuttgart | salon ist ein solches Format. Mit Menschen aus Produktion und Finanzmärkten, Design und Kunst, Theorie und Praxis diskutieren wir am 28. Februar im Rahmen des Salons. Steht eine grundlegende Neudefinition der Produktion an? Wie kann nicht nur Produktion und Technik, sondern auch Arbeit neu definiert werden? Wie müssen sich die gesellschaftlichen Strukturen verändern, damit auch ein grundlegender wirtschaftlicher Wandel gelingen kann?
Dieser Salon ist eine gemeinsame Veranstaltung des stuttgart | salon und des Magazins für Ökonomie und Philosophie agora42. Der Salon ist dieses Mal zu Gast bei der EXP.edition, einer Experimentierplattform im Format eines Verlags zur Entwicklung und Herausgabe von Editionen.
Wie sieht die Produktion der Zukunft aus? Und: Für was steht eigentlich das „PINK“ in PINK Production?
von Wolfram Bernhard
Am Montag Abend wurde das Geheimnis gelüftet: PINK steht nicht nur für den pinken Tüll, der dem Veranstaltungsort einen surrealen Anstrich gab, sondern es ist eine Abkürzung, die jeder für sich selbst definieren kann. Der stuttgart | salon startete mit folgendem Vorschlag:
Persönlich
Individuell
Neuartig
Koopetativ
Vielleicht ist PINKer Tüll gleichzeitig auch ein Hinweis darauf, wie die Produktion in Zukunft gestaltet werden muss: Eine kleinteilige und flexible Verbundstruktur, bei der dennoch feste Verbindungen zwischen den Elementen existieren müssen. Ferner soll auch die Gesprächsatmosphäre ein bisschen PINK sein: Es sollen Utopien entworfen werden und zwar gerne auch durch die rosarote Brille. Das heißt: Wie wünschen wir uns eine Produktion der Zukunft?
Die Diskussion zwischen Nazim Cetin (Herausgeber der agora42), Martin Elbert (Betreiber des Blogs KesselTV), Felicia Copaciu (Coworking Stuttgart), Demian Bern (EXP.edition), Jonnie Döbele (Filmemacher), Herrn Edlmayer (4D Solutions), Andre Reichel (Graduiertenschule für advanced Manufacturing Engineering der Uni Stuttgart) und Niombo Lomba (Stadträtin Stuttgart) und Katrin Steglich (curious minds, stuttgart|salon) wurde von Thomas Staehelin moderiert.
Die grundsätzliche Problematik, dass immer größere Produktivitätssteigerungen mit immer weniger Menschen erreicht werden, führt dazu, dass mit einer Neubewertung des Begriffs Produktion auch ein neues Verständnis von Arbeit einhergehen muss. Gleichzeitig scheint sich darin jedoch nur eine Entwicklung zu wiederholen, die wir in der Landwirtschaft schon lange beobachten konnten: Arbeiteten noch vor 150 Jahren 93% der Amerikaner in der Landwirtschaft, so sind dies heute 3% – und diese 3% decken nicht nur den Bedarf der gesamten amerikanischen Bevölkerung, sondern produzieren sogar das Doppelte dieses Bedarfs.
Es standen viele Thesen im Raum: Die Produktion muss kleinteiliger werden, muss individueller werden, muss für jeden Einzelnen nachvollziehbarer werden, sie muss lokaler werden und dort stattfinden, wo die Produkte letztlich konsumiert werden. Es wurden die Möglichkeiten diskutiert, die sich durch neuartige 3D-Drucker bieten: Menschen werden in die Lage versetzt, gewisse Dinge, die die Grundversorgung sicherstellen, selbst zu produzieren. Aber nicht nur innovative Konzepte wie die der futuristischen 3D-Drucker müssen Gegenstand der neuen Produktionsordnung sein, sondern gleichzeitig bedarf es einer Rückbesinnung hinsichtlich der Rolle, die Banken in der Gesellschaft zu spielen haben.
Gleichzeitig darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Strukturen, die die heutige Produktion-(sgesellschaft) ausmachen, einer eigenen Logik folgen und in manchen Bereichen sehr sinnvoll sind. Ein Auto kann in absehbarer Zeit nicht von einem 3D-Drucker hergestellt werden; genauso wenig kann es von einer einzigen Person in einer Garage produziert werden. Große Verbundstrukturen ergeben also durchaus Sinn. Auch große, international aufgestellte Banken muss es geben, um ein ins Ausland expandierendes Unternehmen finanziell zu unterstützen.
Eines wurde jedoch klar: So wie bisher kann in Zukunft nicht produziert werden, weil dafür die Ressourcen gar nicht vorhanden sind. Ein ideologisches Festhalten an überlieferten Produktionsstrukturen würde insofern fatale Auswirkungen haben.